Mauritius! Prellen oder Werfen?

Für eine Reportage im Magazin NATUR & HEILEN habe ich die Journalistin Andrea Freund eine Stunde in Life Kinetik unterrichtet. Hier schildert sie ihre Erfahrungen und was sie überrascht hat:

Hände überkreuzen. ÜBERKREUZEN! Immer wieder sage ich mir das innerlich. Aber es nutzt nichts. Die beiden kleinen weichen Bälle fallen einfach vor mir ins Gras, weil ich es nicht mehr schaffe, sie parallel hochzuwerfen und dann mit überkreuzten Unterarmen und Händen aufzufangen. Anfangs ging es doch, ab und an zumindest. Anja Moll strahlt: „Genau da wollen wir hin!“ An einen Punkt, an dem die Arme nicht mehr gehorchen. Weil das Gehirn streikt, nachdem es zuvor lauter Dinge getan hat, die es noch nie tun musste. In meiner ersten Stunde Life Kinetik überrasche ich so nicht nur meine Synapsen, sondern lerne auch, dass Scheitern besser ist als Perfektionismus. Zumindest, wenn man sein Gehirn und damit seinen gesamten Körper fit halten will.

„Alles, was wir bereits können, hat das Gehirn als Automatismen abgelegt“, erklärt Anja: „Erst mit neuen Herausforderungen aber entstehen im Gehirn neue Verknüpfungen.“ Die dynamische 53jährige arbeitet hauptberuflich als IT-Expertin und nebenberuflich als Coach für Life Kinetik, dass der Diplomsportlehrer Horst Lutz schon vor knapp 20 Jahren entwickelt und seither perfektioniert hat. Dabei werden Bewegungen, Sinneswahrnehmungen wie Hören auf verschiedene Klangschalentöne, und Vorgaben, an die man sich erinnern muss, miteinander kombiniert. So sollen verschiedene Areale im Gehirn aktiviert und miteinander verknüpft werden – auch mit neuen Nervenzellen.

Bei gutem Wetter nutzt Anja dafür ihren großen Garten in einem Waldstück bei Aschaffenburg. Alle Übungen, die sie dort mit mir macht, wirken zunächst einfach, haben es aber in sich. Nach einer halben Stunde gibt sie mir einen Gymnastikball in die Hand, der sich sogar auf dem unebenen Gras ganz ordentlich prellen lässt. Ich soll den Ball abwechselnd mit der rechten Hand prellen oder nach oben werfen und fangen – je nachdem, welches Land sie ansagt und ob dieses größer oder kleiner ist als das, was sie mir davor zuruft. Dann nennt sie mir noch sechs Länder, die jeweils kleiner sind als das nächste: Liechtenstein ist kleiner als die Malediven, die Malediven sind kleiner als Malta, Malta ist kleiner als die Seychellen, die Seychellen sind kleiner Andorra und Andorra ist kleiner als Mauritius. Sie wiederholt diese Namen zweimal, dann gibt sie mir noch ein Tuch in die linke Hand. Und jetzt geht’s los: Ich muss mit dem linken Arm samt Tuch kreisen, während sie sagt: „Malta“ und dann „Mauritius“. War das nun größer oder kleiner als Malta? Ich werfe, hätte aber prellen müssen. „Liechtenstein!“ Das war am kleinsten, also prellen. Richtig. „Andorra!“ Ich werfe, auch richtig. „Seychellen!“ Ich hab‘ keine Ahnung, prelle verzweifelt, hätte aber werfen müssen. Wieder strahlt Anja. Es musste schiefgehen, auch das. Denn das Kurzzeitgedächtnis der meisten Menschen kann sich nur drei bis neun Dinge merken. Sechs Länder sollte ich also eigentlich schaffen, dann aber noch die Reihenfolge und Werfen oder Prellen? Ich muss lachen. Und spüre etwas, was Anja von allen Teilnehmern beschreibt: Ich bin nach einer Stunde „durch“, aber auch von einem kindlichen Spieltrieb beflügelt, von der Lust, etwas Neues auszuprobieren. Ohne Angst, mich zu blamieren.

Neulich war ich wieder bei Anja, mit einer Freundin. Es war bestimmt nicht das letzte Mal.

Andrea Freund, Journalistin und Autorin, www.andreafreund.de